Donnerstag, 29. August 2013

Moyes, Jojo: Ein ganzes halbes Jahr

Louisa Clark weiß, dass sie gerne als Kellnerin arbeitet. Sie weiß nicht, dass sie schon bald ihren Job verlieren wird. Will Traynor weiß, dass es nie wieder so sein wird, wie vor dem Unfall. Doch er weiß nicht, dass er schon bald Lou begegnen wird ... Eine Liebesgeschichte, anders als alle anderen. 








Gibt es ein Richtig oder Falsch? 

(zuerst veröffentlicht von parden auf Buchgesichter.de am  25.08.2013)


Als die 26jährige Louisa Clark ihren langjährigen Job in einem Café verliert, scheinen sich ihr arbeitsmäßig lediglich Alternativen zwischen Hühnerfarm und
Arbeiterviertel GB
Pole-Dance zu bieten, was sie allmählich verzweifeln lässt. Sie lebt noch bei ihren Eltern in einem Arbeiterviertel, und ihr Einkommen scheint wichtiger denn je, da auch ihr Vater von Arbeitslosigkeit bedroht ist.
Mehr aus Not denn aus echter Überzeugung begibt sich Lou schließlich zu einem Vorstellungsgespräch, bei dem es um den Posten einer Gesellschafterin für einen schwerbehinderten jungen Mann geht. Noch nie zuvor hat sie etwas von "Tetraplegie" gehört, bislang noch nie etwas mit behinderten Menschen zu tun gehabt - sie rechnet sich keine allzu großen Chancen aus. Doch zu ihrer Überraschung bekommt sie die Stelle: begrenzt auf sechs Monate.

 

Bald schon erfährt Lou den Grund für ihre Einstellung: ihr unbändiges Mitteilungsbedürfnis und ihre positive Ausstrahlung lassen sie trotz ihrer Unerfahrenheit im Umgang mit behinderten Menschen für den Posten geeigneter erscheinen als die übrigen Bewerberinnen. Was das bedeutet, beginnt Lou zu ahnen, als sie Will kennenlernt.
Will, der in finanzieller Hinsicht von Kindesbeinen an sehr gut gestellt war, der stets aktiv war und das Leben in vollen Zügen genoss, der selbst seine Arbeit
Will lebt gut situiert
liebte, die ihn zum Workaholic machte, lebt seit einem Unfall vor einigen Jahren, den er allen Voraussagen zum Trotz überlebte, gefesselt in seinem unbeweglichen Körper. Er reagiert alles andere als begeistert auf die Einstellung von Lou und lässt sie dies auch deutlich spüren. Sie gibt nicht so schnell auf, doch bald schon hat sie keine Idee mehr, wie sich die anberaumten sechs Monate einigermaßen erträglich gestalten lassen sollen.

 

Im Laufe der Wochen verbessert sich ihr Verhältnis allmählich, und Lou beginnt tatsächlich Spaß an ihrer neuen Aufgabe zu finden. Die Begegnung mit Will lässt ihr eigenes Leben in einem anderen Licht erscheinen, sie macht viele neue Erfahrungen und verändert sich ganz allmählich.
Doch dann erfährt sie durch Zufall, weshalb ihre Arbeitsstelle bei Will auf sechs
Monate begrenzt ist.
Wie wird sich Will entscheiden?
Nach Ablauf dieser Zeit hat er sich seiner Familie gegenüber ausbedungen, in der Schweiz seinem Leben legal ein Ende zu setzen. Lou ist entsetzt und glaubt, dem Job nicht mehr gewachsen zu sein: "Ich wandte den Blick ab, scheute mich mit einem Mal, ihn anzusehen. Ich fürchtete mich davor, seine Gefühle zu spüren, das Ausmaß dessen, was er verloren hatte, das Ausmaß seiner Ängste." (S. 236) Doch dann erwacht in Lou der feste Entschluss, Will die schönen Dinge des Lebens zu zeigen, wie es sein kann "trotz alledem" und dass sich das Leben in jedem Fall lohnt...
   

Dieses Buch berührt. Es gelingt Jojo Moyes, den Leser einzufangen in eine Mischung aus Ernsthaftigkeit und schwarzem Humor, in eine Stimmung von wachsender gegenseitiger Zuneigung, dem Entdecken fremder Welten - und der Beschäftigung mit der Frage: was wäre wenn?
Kann man sich das wirklich vorstellen? Wie es wäre,
Ein Leben im Rollstuhl?
wenn man von einem Tag auf den anderen aus seinem normalen Leben gerissen unbeweglich im Rollstuhl sitzen müsste und in allen Bereichen des Lebens auf fremde Hilfe angewiesen wäre für den Rest seiner Tage? Wie es wäre, wenn es einem Freund so erginge? Seinem eigenen Kind? Und wenn der feste Entschluss im Raum stünde, diesem Leben ein Ende zu setzen, weil es unerträglich scheint und nichts mehr mit dem zu tun hat, was man sich ausgesucht hätte? Normalerweise ergeht es einem doch so wie Lous Schwester, die für sich befindet: "Also steckte ich (die
Wer will das entscheiden?
Vorstellung) in die allertiefste Schublade in meinem
Kopf, die mit ´Unvorstellbar´ beschriftet war." (S. 489 f.) Doch Jojo Moyes öffnet diese Schublade und zwingt einen förmlich zu der Erkenntnis: es gibt kein Richtig und kein Falsch.


Die Entwicklung der Geschichte erscheint bis zum Ende durchdacht und glaubhaft, die Charaktere sind stimmig, Lachen und Weinen liegen dicht beieinander, und Thema wie Erzählung lassen einen nicht sofort los, wenn das Buch schließlich zugeschlagen ist.
Ein großartiges Buch zu einem nicht alltäglichen Thema. Eindeutig empfehlenswert!


 
© Parden



 



Jojo Moyes

Jojo Moyes, geboren 1969, hat Journalistik studiert und arbeitete für die "Sunday Morning Post" in Hong Kong und dem "Independent" in London. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches, "Die Frauen von Kilcarrion", widmet sie sich ganz dem Schreiben von Romanen. Jojo Moyes lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern auf einer Farm in Essex.




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